Zeitungsartikel-Archiv
Ein echter Glücksfall für Friedberg
Beim heimatkundlichen Stammtisch berichtet Historiker über eine Art Zwangsbesiedlung der Stadt
24.05.2013
Prof. Wilhelm Liebhart
Mit Spannung hatte der Heimatverein Friedberg einen Vortrag des Historikers Prof. Dr. Wilhelm Liebhart von der Hochschule Augsburg über „Herzog Ludwig VII. von Bayern und Friedberg“ erwartet. Der heimatkundliche Stammtisch in der Schlossremise war gut besucht. Für Brisanz hatte im Vorfeld die Heimatvereinsvorsitzende Regine Nägele gesorgt, weil sie beim Stammtisch zuvor in ihrem Vortrag von einem „Kriminalfall“ bei der zweiten Stadtgründung Friedbergs durch Ludwig VII. im Barte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gesprochen hatte. „Schuld daran bin ich selbst“, meinte Liebhart, da sich Nägele auf einen frühen Aufsatz von ihm aus dem Jahr 1978 bezogen hatte. Den würde der Professor heute doch lieber ungeschrieben sehen.
Zunächst vermittelte Liebhart einen geschichtlichen Überblick. Er zitierte den Historiker Michael Doeberl, der für Bayern vom „düsteren“ 15. Jahrhundert“ sprach. Gemeint sind damit die bayerischen Landesteilungen mit ihren schlimmsten Ausartungen. Es entstanden die drei Linien Bayern-Ingolstadt, Bayern-München und Bayern-Landshut. Die jeweiligen Herzogtümer verfügten nicht einmal mehr über zusammenhängende Gebiete. So war das Staatsgebiet des Herzogtums Bayern-Ingolstadt, zu dem seit 1392 nun auch Burg und Markt Friedberg gehörten, auf sechs Territorien verteilt. Mit dieser unbefriedigenden Situation war Herzog Stephan III. von Bayern-Ingolstadt sowie sein Sohn Herzog Ludwig VII., der wegen seines modischen französischen Bartes auch als Ludwig im Barte bezeichnet wurde, nicht zufrieden. So kam es mit den Wittelsbacherischen Verwandten zu folgenschweren kriegerischen Auseinandersetzungen.
Zum Schutz seines Herzogtums ließ Ludwig VII. seine Städte befestigen. So auch das im Herzogtum Bayern-Ingolstadt gelegene Friedberg. Vor der Landesteilung war Friedberg wegen seiner häufigen Zerstörungen durch die Augsburger und der damit verbundenen gesunkenen wirtschaftlichen Ertragskraft von den Herzögen nur noch als Markt bezeichnet worden.
Galt Ludwig VII. als streitsüchtiger und schwieriger Mensch, so wurde er für Friedberg zum Glücksfall, ja zum Retter in der Not. Gehörte Friedberg bis dato zum Landgericht Aichach, so schuf Ludwig VII. einen neuen Landgerichtsbezirk Friedberg, der zum Vorläufer des alten Landkreises Friedberg wurde. Die Neuorganisation förderte die zentralörtliche Funktion der Stadt Friedberg. Er ließ darüber hinaus in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Friedberg mit einer neuen Stadtmauer versehen. Und hier setzen nun die kriminellen Handlungen eines Ludwig VII. ein.
Mit oftmals brutaler Gewalt zwang er fremde Klosteruntertanen zu Befestigungsarbeiten an seinen Burgen und Städten. Fremde Klosterbauern wurden gegen ihren Willen auch nach Friedberg gebracht, weil dort für diese Arbeiten zu wenig eigene Bauern des Herzogs lebten. Besonders schikanierte Ludwig die Untertanen des Zisterzienserklosters Fürstenfeldbruck. Ein langwieriger Klosterprozess führte dazu, dass Ludwig exkommuniziert wurde und schließlich im Februar 1434 der Reichsacht verfiel.
Doch der Herzog wehrte sich. Einige Monate später kam es zur Ausfertigung der Kaiserurkunde vom 15. September 1434. Hierbei geht es auch um Friedberg: Der Herzog hatte vorgebracht, dass Friedberg das Privileg von ihm habe, arme Grunduntertanen der genannten Klöster mit Gewalt zu fangen und zur Stadt Friedberg zu führen. In der Kaiserurkunde ist nun festgeschrieben, dass der Rat der Stadt Friedberg selbst seine Privilegien vorbringen müsse, und zwar vor dem Stadtrat der Stadt Augsburg.
Wurden nun die Verschleppten zu Bürgern gemacht, da die Stadt Friedberg dringend neue Bewohner brauchte? In heimatkundlicher Literatur wird diese Frage durchwegs bejaht. Darauf hatte Regine Nägele damals in ihrem Vortrag hingewiesen. Liebhart selbst hatte diese zwangsweise Verschleppung ausländischer Klosteruntertanen vor bereits 35 Jahren als Besiedlungsmaßnahme für Friedberg gedeutet und 1978 darüber veröffentlicht. Diese Deutung wertete der Historiker Eberhard Straub damals als Fehlinterpretation. Doch Liebhart stellte die Frage: „Welche Rechte sollten denn die Friedberger in Augsburg vorweisen? Das Recht, dass für die mühevollen Befestigungsarbeiten Klosteruntertanen herbeigeführt werden können, hatten sie nicht, aber das Recht Klosterbauern als Bürger aufzunehmen – dieses Recht hatten sie!“ Zwei verschiedene Themen, über die Liebhart in einem neuen Aufsatz in „Altbayern in Schwaben“ berichten will.
Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine
Verlinkt zur Veranstaltung: Heimatkundlicher Stammtisch (16.04.2013, 19:00 Uhr)