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Wer zog die Fäden, als Ludwig entmündigt wurde?

Der Augsburger Historiker Wilhelm Liebhart spricht vor dem Friedberger Heimatverein über Macht und Mythos des bayerische Märchenkönigs

09.12.2011

Wer zog die Fäden, als Ludwig entmündigt wurde?

Prof. Wilhelm Liebhart beim heimatkundlichen Stammtisch im Schloss in Friedberg

Bevor es adventlich wurde beim Stammtisch des Friedberger Heimatvereins im Schloss, hatte Prof. Dr. Wilhelm Liebhart den 70 Zuhörern Spannendes zu bieten über "König Ludwig II. - Macht und Mythos".
Der Professor für Geschichte und Politik an der Hochschule Augsburg verdeutlichte, was Ludwig II. so einmalig macht. Keine Gestalt der bayerischen Geschichte hat es geschafft, so mit Bayern identifiziert zu werden wie dieser oft verklärte Märchenkönig.

Wie sehr Ludwig II. an seelischen Problemen litt, darauf ging Prof. Liebhart ausführlich ein. Kopfschmerzen, die erhöhte Empfindsamkeit, die Schlafstörungen, die er mit starken Schlafmitteln bekämpfte, beeinträchtigten Ludwig ein Leben lang. Als Auslöser hierfür gilt eine eitrige Hirnhautentzündung, die er als siebenmonatiges Kind erlitt. Hinzu kam eine in seinen Augen unglückliche Kindheit.

So lassen sich für den Professor die späteren Verhaltensauffälligkeiten und der Rückzug in eine Traumwelt erklären. König Ludwig mied größere Menschenansammlungen. Sicherlich dürfte auch der schlimme Zustand seiner Zähne, der schließlich zum totalen Zahnverlust führte, ihn sprachlich und ästhetisch behindert haben. Die Zahnschmerzen betäubte er mit Morphium, so dass er schließlich medikamentenabhängig wurde. Auch trank der König exzessiv Alkohol.

Entgegen vorherrschender Meinung habe sich Ludwig II. durchaus für Politik interessiert, sagte der Referent. Seiner Aufsichtspflicht über die Verwaltung sei der König bis zuletzt nachgekommen. Was dem Monarchen aus Sicht von Liebhart abging, war die nötige politische Willensstärke und ein mangelndes Durchsetzungsvermögen gegenüber dem bayerischen Kabinett.

Auf eine entscheidende Frage ging Liebhart besonders ein. Wie konnte es zu einer Entmündigung des Königs kommen? Die ärztlichen Sachverständigen unter Federführung des Psychiater Prof. Dr. von Gudden hatten den "Kranken", wie von der Verfassung gefordert, vorher nicht einmal selbst untersucht. Dennoch bescheinigte das Gutachten, der König sei geisteskrank und damit regierungsunfähig.

Der Referent wies auf die Rolle hin, die Ministerratsvorsitzender und Kultusminister Dr. Johann von Lutz spielte. Er hatte bereits ein Vierteljahr vor dem tragischen Tod des Königs im Jahr 1886 die Fäden gezogen. Der König war auf Grund seiner Bautätigkeit tief verschuldet. Lutz fürchtete, dass das gigantische Ausmaß der königlicher Privatschulden und der Mangel an weiteren Krediten zum Sturz seines Kabinetts und zu seiner eigenen Entlassung führen könnten. Eigentlich hätte er sich als bayerischer Beamter gegenüber seinem König loyal zu verhalten gehabt, aber sein Posten als Ministerpräsident war ihm wichtiger.

Jedoch ging es bei der Entmündigung nicht allein um die Schulden des Königs, sondern auch um die sich immer schwieriger gestaltende Regierungstätigkeit und vor allem um die Homosexualität, die zu wilden Gerüchten Anlass gab. Die verheerende Finanzlage und die Unsittlichkeit hätten bei einem Rücktritt als Doppelskandal die Lola-Montez-Affäre des Großvaters noch übertroffen. Eine Entmündigung wegen Geisteskrankheit schien somit die elegantere Lösung.

Ging die Initiative von der Köngisfamilie selbst aus?

Möglicherweise ist die Initiative zur Entmündigung sogar von der königlichen Familie selbst ausgegangen. Der Onkel des Königs, Prinz Luitpold und sein Sohn Prinz Ludwig, der spätere König Ludwig III. hätten mit ihrem Vermögen für die Schulden des Königs mit gehaftet. Nach Ansicht von Prof. Liebhart kann die Initiative genauso vom Ministerpräsidenten Lutz ausgegangen sein, die natürlich ohne Mitwirkung des Königlichen Hausen keinen Erfolg haben konnte.

Das traurige Ende des Königs warf in der anschließenden Diskussion noch viele Fragen an den Referenten auf. Geklärt werden die letzten Stunden nie mehr können. So bleibt es beim Mythos König Ludwig II.

Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine

Verlinkt zur Veranstaltung: Heimatkundlicher Stammtisch (30.11.2011)

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